

Das Kapital ist nicht nur das Hauptwerk von Karl Marx, in dem das Paradigma geschichtsmaterialistischer Wissenschaft herausgearbeitet ist, sondern das Hauptwerk der Kapitalismustheorie schlechthin. Seine theoretische Leistung ist bisher von keiner anderen Schrift erreicht oder gar übertroffen worden. Allen Umbrüchen in Produktionsweise und Politik zum Trotz bewahrt Das Kapital noch immer »jene eigentümliche Lebenskraft«, mit der es, wie Karl Korsch 1932 feststellte, »im höchsten Grade ›zeitgemäß‹ geblieben ist und in vieler Hinsicht seine Zeit erst recht zu erfüllen anfängt« (514). – Der Begriff K-L schillert zwischen dem Lesen des Kapital und dessen spezifischer Interpretation. Im Folgenden liegt der Akzent auf der tatsächlichen Lektüre, auch wenn Fragen der Interpretation, der Epistemologie und der Theorie des Kapital hereinspielen, die im Detail in vielen anderen HKWM-Artikeln behandelt werden.
1. Warum überhaupt Das Kapital lesen? – Die Notwendigkeit der K-L beruht in »Gesellschaften, in welchen kapitalistische Produktionsweise herrscht« (23/49), auf deren alle Lebensäußerungen bedingender Macht. Diese gedankenlos hinzunehmen, schlüge alle Theorie und Praxis mit Unwahrheit. Zumal für kritische Theorie und sozialistische Praxis ist K-L unumgänglich. Wird sie in kritischer Auseinandersetzung mit den avancierten wissenschaftlichen und wissenschaftstheoretischen Erkenntnissen und Denkweisen betrieben, statt sie ›antiquarisch‹, ans »logische Material« (Engels, 13/473) des 19. Jh. gefesselt zu behandeln, kann sie zur einzigartigen Denkschule werden. K-L ist nicht fach-ökonomisches Studium, sondern mit den Kulturtechniken vergleichbare praktisch-theoretische Grundlagenbildung fürs Verständnis kapitalistischer Verhältnisse und der eigenen Stellung in diesen, sowie für die Fähigkeit, in diese Verhältnisse einzugreifen und dabei zwischen Schein und Sein zu unterscheiden. Sie erschließt eine gemeinsame Sprache und bildet eine wissenschaftliche Haltung und Denkdisziplin heraus. So kann sie dem sozial verantwortungslosen Intelli- genzgebrauch entgegenwirken und dazu beitragen, »nüchterne, geduldige Menschen [zu] schaffen, die nicht verzweifeln angesichts der schlimmsten Schrecken und sich nicht an jeder Dummheit begeistern« (Gramsci, Gef, H. 28, §11, 2232).
Die Ausdrücke „Klasse an sich“, „Klasse für sich“ und „Klasse an und für sich“, die Marx zugeschrieben zu werden pflegen, finden sich bei diesem nicht.
weiterMit dem Ende der Sowjetunion schien das Schicksal des K besiegelt. Dem stalinistischen Terror und dem Stillstand der auf Stalin folgenden Phase folgte das Scheitern der Reformversuche Gorbatschows, schließlich die Restauration eines auf andere Weise autoritären Staatskapitalismus.
weiterDer Beginn feministischer Auseinandersetzung mit Marx begann mit Maria Rosa Dalla Costas Intervention (1973) und setzte sich fort als Hausarbeitsdebatte, eine Problematik, die philologisch genaue Lektüre von Marx und Engels erfordert.
weiterVor aller Reduktion intellektueller Praxis auf das Tun der ›Schriftgelehrten‹ als der berufenen Vertreter der ›intellectualitas‹ meint diese allgemein »die Fähigkeit, etw. zu begreifen« (Georges).
weiterDie Oktoberrevolution, die die Arbeiter-, Bauern und Soldatenräte 1917 in Russland an die Macht gebracht hatte, »wurde überall als welterschütterndes Ereignis empfunden« (Hobsbawm 1994/2002, 91). Die regierenden Bolschewiki hatten sich zum Ziel gesetzt, eine sozialistische Gesellschaft zu erric
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